2014 Emotionale Ukraine-Debatte

mekur.de 24.04.2014


Emotionale Ukraine-Debatte


Wolfratshausen - Dr. Bärbel Kofler, die Expertin aus dem Bundestag, sprach über die Lage in der Ukraine. Es gab viele Fragen und Zwischenrufe von Seiten der Gäste.


Emotional und kontrovers diskutierten dieser Tage rund 60 Interessierte im Wirtshaus Flößerei die Entwicklung in der Ukraine. Eingeladen hatten die Verantwortlichen der Osteuropahilfe der Landkreise Starnberg und Bad Tölz-Wolfratshausen. „Die Ukraine – quo vadis? Ein Staat zwischen Russland und der EU“ lautete der Titel.


Selten erlebt man in Wolfratshausen derart heftige und emotionale Wortbeiträge, wie bei dieser Diskussionsrunde. Zwischenrufe, kommentierendes Gemurmel, Kopfschütteln, gegenseitiges Ermahnen zur Ruhe, zahlreiche Stellungnahmen, Fragen, vermeintliche Richtigstellungen, intensive Analysen und weltpolitische Bewertungen der Lage prägten den Abend. Wer hat was zu welchem Zeitpunkt getan und gesagt? Was verschweigen die Medien? Welche Interessengruppen steuern wen, und welche Ziele verfolgt Putin? Was bringt die Zukunft und wie soll die aussehen? Fragen wie diese interessierten die Besucher. Klar war: Es gibt mehr offene Fragen als Antworten. Und auch was die Bundestagsabgeordnete Dr. Bärbel Kofler erklärte und reflektierte, machte den Konflikt nicht allumfassend begreiflich.

Kofler ist entwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss sowie frühere Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe. Nach einer Banklehre studierte die aus Freilassing stammende Kofler Informatik, später Russisch und Spanisch. Zwei Jahre lang lehrte sie als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache in Moskau. Mit Blick auf den Beginn des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren wollte einer der Anwesenden wissen: „Wer ist in der Lage, wer hat den Willen und das Potenzial, den Konflikt zu kontrollieren und in ruhige Bahnen zu lenken?“ Die Abgeordnete verwies auf die UNO und auf die OSZE. Gleichzeitig betonte sie, dass die von diesen Organisationen angestoßenen Prozesse politische seien und entsprechend viel Zeit benötigten.


Wolfgang Saal, den man von der Siedlungsgemeinschaft Waldram und vom Verein Bürger fürs Badehaus kennt, hat eine ukrainische Schwiegertochter. Seine Familie beobachtet die Geschehnisse in der Ukraine daher besonders aufmerksam. Saal berichtete, dass die jungen Menschen von dem korrupten System ihres Landes unbedingt weg wollen. „Sie haben die Schnauze voll.“ Er sprach Russland jegliches Recht auf die Ukraine ab. „Einmal russischer Hinterhof, immer russischer Hinterhof“ sei kein Argument.

Kofler erinnerte daran, dass Kiew „die Mutter der russischen Städte und Zentrum des ersten russischen Staates“ gewesen sei. Deswegen müsse man die russische Sicht historisch und emotional ein Stück weit verstehen. Allerdings dürfe diese Sicht nicht machtpolitisch missbraucht werden. „Will man im 21. Jahrhundert allen Ernstes Grenzverschiebungen durch militärische Gewalt durchführen?“, fragte Kofler.

Als die Abgeordnete darauf zu sprechen kam, ob man sich vorstellen könne, in einem Land wie der Ukraine zu leben, das kein Rechtsstaat sei und in dem Willkür herrsche, hieß es von den Zuhörern: „Das ist doch bei uns genauso.“ Darauf forderte die Abgeordnete dazu auf, die Kirche im Dorf zu lassen. Dass es auch in Deutschland Korruption gibt, bestritt sie nicht. In der Ukraine habe diese aber eine komplett andere Dimension und Qualität. Das ganze Leben sei davon durchzogen.

In diesem Zusammenhang stellte sich für Kofler die Frage, mit welchen Politikern es in der Ukraine weiter gehen soll? „Man braucht Leute, die sich für Rechtsstaatlichkeit einsetzen und sie leben.“ Außerdem brauche das Land eine neue Verfassung und die Dezentralisierung. Der Energiesektor müsse reformiert werden. Der Ukraine den EU-Beitritt zu versprechen, sei das falsche Signal.

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